
Die zweifache Grammy Preisträgerin Patty Griffin ist seit langer Zeit eine der bedeutendsten Songwriterinnen des Americana Genres. Es ist immer ein Ereignis, wenn sie eine neue Platte herausbringt; "Crown of Roses" ist da keine Ausnahme. Es ist ihr elftes Studioalbum (beginnend mit "Living With Ghosts" von 1996). Doch da seit ihrer letzten Veröffentlichung "Patty Griffin", einem ebenfalls ganz exquisiten Album, schon mehr als sechs Jahre vergangen sind (mit Ausnahme der hervorragenden Veröffentlichung "Tape" von 2022, die hauptsächlich aus Songs bestand, die Griffin während des Corona Lockdowns zu Hause aufgenommen hat), ist meine Freude über diese Veröffentlichung natürlich gross. Griffin gewann einen Grammy für ihr Album "Downtown Church" von 2010 als bestes traditionelles Gospel Album und für "Patty Griffin" von 2019 in der Kategorie bestes Folk Album. Sie wurde insgesamt sieben Mal nominiert, und trotzdem gehört sie hierzulande nch eher zu den weniger populären Americana Vertretern. Dabei wird sie insbesondere in Musikerkollegen sehr geschätzt. Die Liste der Künstler, welche Songs von Patti Griffin aufgenommen haben, ist lang: Emmylou Harris, The Chicks, Sugarland, Kelly Clarkson und Bette Midler ind nur Einige von ihnen.
"Crown Of Roses" ist ein sehr introspektives Album, das eine Reihe von Themen behandelt, welche für Griffin sehr persönlich sind; einige davon sind schwer zu verarbeiten, wie zum Beispiel der Tod ihrer Mutter und ihre eigene Krebsbehandlung. Griffin beschreibt ihre Herangehensweise an diese Themen als sogenannt 'emotionales drumherumtanzen', anstatt sie direkt anzugehen. Sechs der acht Songs hat Griffin selbst geschrieben, die anderen beiden entstanden gemeinsam mit David Pulkingham ("A Word") und mit David Pulkingham und Michael Longoria ("Born In A Cage"). Das Albumcover zeigt ein Hochzeitsfoto von Griffin's verstorbener Mutter mit einer Rosenkrone, eingebettet in Bilder von Dingen, die ihr wichtig waren, wie Landschaften, Blumen, Schmetterlinge und Vögel – ein beeindruckendes Kunstwerk von Mishka Westell. Griffin kam die Idee zu "Crown of Roses", nachdem sie aufgrund der Krebsbehandlung eine Veränderung im Klang ihrer Stimme bemerkte. Während der COVID-19-Pandemie erlebte Griffin das Gegenteil von Kreativität und eifrigem Schaffen, während viele andere Songwriter sehr produktiv waren. Bereits in jener Zeit begann sie damit, eher zaghaft an neuen Songs zu arbeiten, verwarf aber viele Ideen schliesslich wieder, um den nächsten Anlauf zu nehmen. So dauerte es ungewöhnlich lange, bis sie endlich mehrere neue Songs komponiert hatte. Die Aufnahmen zum neuen Album fanden dann nach über vier Jahren im Finishing School Studio in Austin Texas statt. Griffin's langjähriger Lieblingsproduzent Craig Ross wurde erneut mit der Umsetzung beauftragt. Ross spielte auch auf dem Album mit (hauptsächlich Bass).
"Back At The Start" eröffnet das Album (es ist zugleich die erste Single des Albums) und ist ein echter Knaller, der mit seinem Shuffle-Beat und einer eindringlichen Bariton-Gitarrenmelodie vorwärts rumpelt. Das Stück beginnt mit einer Zeile, die wirklich schön ist: "Es gibt Geheimnisse, die ich mir selbst nie verrate, ich mache einfach weiter". Griffin sagt, dass dieser Titel einer jener Songs war, die sie während der Pandemie zu schreiben begann, verwarf, aber schliesslich doch wieder darauf zurückkam. Sie selbst drückt es so aus: "Ich bin auf den Song zurückgekommen, weil mir die erste Zeile gefällt. Teilweise geht es darin darum, weiterzumachen, aber teilweise auch darum, stecken zu bleiben, aber zu reflektieren. Es ist dieser ständige Kampf, zu versuchen, am Leben zu bleiben, solange man hier sein darf."
"Born In A Cage" (die zweite Single der LP) ist eine sanfte, akustische Ballade. Heather Trost spielt her eine herzerwärmende Violine und Jeremy Barnes die Santúr, ein zitherähnliches Saiteninstrument, dessen Saiten über einer flachen Holzkiste gespannt sind und durch Anschlagen der Saiten gespielt werden. Das Lied soll vermitteln, was Griffin's Mutter gegen Ende ihres Lebens erlebte. Im eindringlichen "Long Time" ist Griffin's enger Freund Robert Plant zu hören, der Background singt (!). "All The Way Home" ist mal ruhig, mal mitreissend, und sehr unterhaltsam. "Way Up To The Sky" wiederum ist ein sehr intimes Lied, das Griffin solo vorträgt, nur mit ihrer Stimme und ihrer akustischen Gitarre. Diese Momente erzeugen bei mir manchmal echt Gänsehaut, denn da kommt ihre manchmal hart an der Grenze zur Brüchigkeit singende Stimme am eindringlichsten herüber.
"I Know A Way" ist etwas optimistischer, mit schönem, zurückhaltendem Gitarrenspiel von David Pulkingham. Neben "Back At The Start", dem Opener, ist dies ein weiterer echter Höhepunkt dieses Albums; Hier singt Griffin einfach wunderbar. Das Album endet mit "A Word", einem weiteren herzzerreissenden Song, der mit den Worten endet: "The love you leave on earth goes round forever, And I don’t know how, As dreams keep burning down, To turn it all around, But I will never stop loving you". Für eine Langspielplatte ist "Crown Of Roses" mit etwas über 34 Minuten Laufzeit zugegebenermassen relativ kurz, aber die Qualität der gebotenen Musik macht das mehr als wett. Die SChönheit dieses Albums ist in jedem Takt und jeder Silbe der Songtexte spürbar. Manche Songs fordern ein mehrmaliges Anhören, bevor sie sich einem ganz erschliessen und richtig in Bann ziehen; sie wachsen durch mehrmaliges Hören definitiv. Es bleibt zu hoffen, dass nicht wieder sechs Jahre vergehen, bis Patti Griffin nachlegt. Definitiv eines der bislang schönsten neuen Alben diesen Jahres.