
Regenbogen – Various (25. August 1985)
Vor 40 Jahren fand im Theater Baden-Baden ein bemerkenswertes Konzert statt, das ganz im Zeichen des Regenbogens stand – der Regenbogenfahne. Noch Wochen danach entfachte es eine intensive Debatte darüber, ob die Farben des Regenbogens nicht dauerhaft über dem Theater am Goetheplatz gehisst werden sollten. Es sollten jedoch noch Jahre vergehen, bis diese Fahne als Symbol für Frieden, Aufbruch, Toleranz und Wandel ihren Platz an öffentlichen Gebäuden im Wind finden konnte.
Angesichts des sich drehenden gesellschaftlichen Windes, da „Zeit-zurück-Dreher“ dieses Zeichen vielschichtiger Lebensformen am liebsten wieder einrollen möchten, ist es wichtiger denn je, dieses Farbenspektrum nicht nur auf dem Plattenteller zu drehen, sondern es auch an Häusern und auf Plätzen wehen zu lassen. Die aktuelle öffentliche Diskussion führte mich zurück zu eben jenem Abend im Theater Baden-Baden, und ich holte das Tondokument aus dem Plattenregal.
Das denkwürdige Konzert dauerte über vier Stunden und war ein einziges Highlight. Die Doppel-LP „Regenbogen“ kann naturgemäß nur einen knappen Abriss dessen vermitteln, was sich an jenem Abend in Baden-Baden ereignete: eine hervorragende Mischung aus Wortbeiträgen und Musik.
Musikalisch getragen wurde der Abend von Hannes Wader, Konstantin Wecker, Konrad Beikircher, Hanns Dieter Hüsch und Lydie Auvray. Für die Textbeiträge sorgten Elke Heidenreich (in ihrer Rolle als Else Stratmann) und Otto Jägersberg.
Hannes Wader verteilte seine Darbietungen über den gesamten Abend. Fünf seiner Songs sind auf der LP zu finden, allesamt großartige und einzigartige Interpretationen. Er eröffnete den Konzertabend, begleitet von Reinhard Bärenz, mit „Gut wieder hier zu sein“. Später präsentierte er die Uraufführung von „Mammi“, bei der er unter anderem von Konstantin Wecker am Klavier begleitet wurde.
Von Konstantin Wecker selbst sind nur zwei Songs auf dem Album vertreten: „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ und „Fast ein Held“. Besonders „Fast ein Held“ geht unter die Haut – ein Stück, das man nicht alltäglich auf dem Plattenteller hat. Die Beiträge von Konrad Beikircher überzeugen auf ganzer Linie.
Hanns Dieter Hüsch, der im Vorfeld befürchtete, das viereinhalbstündige Programm mit vielen Textbeiträgen könnte zu viel sein, lag glücklicherweise falsch. Der enthusiastische Beifall des Publikums zeigte, dass die Aufmerksamkeit bis zur Zielgeraden gehalten wurde. Mit „Ich bin ein deutscher Herr“ erhielt Hüsch die gleiche Begeisterung wie Wader zu Beginn.
Etwas aufmerksamer muss man Elke Heidenreich folgen, die vorrangig in die Rolle ihrer damaligen Kunstfigur „Else Stratmann“ schlüpfte, aber immer wieder als Elke Heidenreich kommentierte. Hier ist Konzentration gefragt, um dem Rollenwechsel folgen zu können. Für den in Baden-Baden lebenden Schriftsteller und Filmemacher Otto Jägersberg war die Veranstaltung ein Heimspiel. Seine Texte, insbesondere „Unser Kanzler“ und „Tränen der Mütter“, fügten sich thematisch perfekt in das Gesamtprogramm ein.
Das „Regenbogenkonzert“, das leider keine Wiederholung fand, ist auch heute noch hörenswert. Viele der Texte haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Mehr denn je beschäftigt uns der „Traum vom Frieden“. Die Regenbogenfahne bleibt ein Reizthema: Ortsparlamente müssen sich mit Anträgen zur Beflaggung öffentlicher Gebäude auseinandersetzen, was sogar schon zum Rücktritt eines Ortsbürgermeisters führte. Und wenn Fußball-Bundesligaspieler sich weigern, auf einem Trikot in Regenbogenfarben ein Autogramm zu hinterlassen und damit den bunten Farbbogen diffamieren, ist die Notwendigkeit dieses Symbols offensichtlich.
Bei uns in Mainz wird der Regenbogen-Fußgängerüberweg immer wieder mit Farbschmierereien verunstaltet. Als kleines Zeichen der Solidarität werde ich die sechsfärbige Regenbogenfahne weiterhin an meinem Haus gehisst lassen und die immer wieder aufkeimende Wut mit musikalischen Zeitdokumenten wie diesem Konzert bekämpfen.