
Hildegard Knef – singt Cole Porter
(Decca, Royal Sound SLK 16540-P, 1968, Decca, 6315, 1968, Warner Music, 5054197606342, 2022)
Meine erste Begegnung mit Hildegard Knef fand bereits im elterlichen Wohnzimmer statt. In einer Ära, in der Schallplatten noch kostbare Einzelstücke waren, gehörte ihre markante Stimme zum festen Inventar unserer kleinen Sammlung. Zwischen all den Schlagern der Zeit, Operetten und Opern war die Knef für mich das einzige wirklich „Hörbare“ – eine Künstlerin mit einer Aura, die weit über das übliche Maß hinausging.
Bevor sie 1963 mit dem programmatischen Titel „So oder so ist das Leben“ ihre musikalische Laufbahn startete, war sie längst eine Ikone des Kinos. Ihr Stern ging in den Trümmern der Nachkriegszeit auf, und bereits 1950 schrieb sie mit dem Film „Die Sünderin“ Kinogeschichte – ein handfester Skandal, der ihren Ruf als unangepasste, mutige Frau zementierte. Diese Lebenserfahrung, die Mischung aus Melancholie und Berliner Schnauze, sollte später das Fundament für ihre unvergleichliche Karriere als Chansonnière bilden.
In meiner heutigen Sammlung finden sich so einige Schätze der Knef, die ich regelmäßig auf den Plattenteller lege. Doch während ihr Debütalbum zweifellos dazugehört, war es ihr 1968er Werk „Träume heißen du“ (besser bekannt als „Hildegard Knef singt Cole Porter“), das mich damals wie heute nachhaltig beeindruckt hat. Es war ein kommerzieller und künstlerischer Triumph: Die LP hielt sich stolze 28 Wochen lang in den oberen Chartregionen.
Heute ist dieses Album ein absoluter Klassiker. Warner Bros. legte die Porter Songs auf einer Doppel-LP neu auf. Diese Neuausgabe kommt als edle Doppel-LP in rotem Vinyl daher – ein optisches Highlight, das auch klanglich auf ganzer Linie überzeugt. Die insgesamt 25 Songs stammen fast ausschließlich aus den Aufnahmesessions der 50er und 60er Jahre. Was hier sofort auffällt, ist die exzellente Mastering-Qualität: Die Aufnahmen klingen warm, präsent und schlichtweg genial.
Die Aufteilung der Doppel-LP ist dabei besonders reizvoll:
LP 1: Präsentiert zwölf Porter-Klassiker in der deutschen Übersetzung.
LP 2: Widmet sich 13 Titeln im englischen Original.
Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich die Wirkung der Songs durch die Sprache verändert. Obwohl beide Versionen ihren ganz eigenen Charme besitzen, tendiere ich persönlich zu den englischsprachigen Originalen.
Ein Paradebeispiel ist der Vergleich zwischen „Gern bereit“ und dem Original „Love For Sale“. Trotz identischer Komposition wirken sie wie zwei völlig unterschiedliche Stücke. In der englischen Phrasierung schwingt eine Nuance mit, die das „Porter-Feeling“ noch authentischer transportiert.
Besonders hervorzuheben ist ihre Interpretation des Jazzstandards „All Of You“. Wer Versionen von Miles Davis, Billie Holiday oder Bill Evans im Ohr hat, weiß, wie hoch die Messlatte liegt – doch Hildegard Knef muss den Vergleich keineswegs scheuen. Ihr rauchiges Timbre verleiht dem Song eine ganz eigene, europäische Eleganz. Und natürlich dürfen die unsterblichen Klassiker nicht fehlen:
„Nichts haut mich um – aber du!“ (I Get A Kick Out Of You)
„Sei mal verliebt“ (Let’s Do It)
Fazit: Das neu aufgelegte Doppelalbum ist weit mehr als eine bloße Wiederveröffentlichung. Es ist eine Zeitreise, die Erinnerungen wachruft und gleichzeitig die zeitlose Qualität dieser Aufnahmen unterstreicht. Für Fans anspruchsvoller Vokalkunst und Liebhaber des gepflegten Vinyl-Sounds ist dieses Album ein absolutes Muss.