[REVIEW] Patrick O'Hearn • Metaphor (1996)

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Beatnik
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[REVIEW] Patrick O'Hearn • Metaphor (1996)

Beitrag von Beatnik »

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In Zeiten sinnloser Hektik, unberührender Oberflächlichkeit und nichtssagendem Kommerz wirken Platten wie Patrick O'Hearn's Werk "Metaphor" wie kleine unberührte Inseln der Glückseligkeit, auf denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint und um die irgendwelche modischen Strömungen einen weiten Bogen machen. "Metaphor" ist eine Platte zum abschalten, zum geniessen, zum sich ausklinken von der Routine des Alltags. "Metaphor" ist ein Kunstwerk, das Zeiten überdauern kann, ohne Schaden zu nehmen. Es ist ein Monument der Beharrlichkeit, wie sie nur aus dem Kopf eines Musikers stammen kann, der Musik als künstlerische Ausdrucksform versteht, und nicht auf billiges Unterhalten aus ist.

Ob Patrick O'Hearn wirklich dem New Age zugehörig ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Eigentlich wirkt seine Musik dafür zu greifbar, zu zwingend. Das hat vielleicht auch mit dem musikalischen Background dieses Musikers aus Los Angeles zu tun: Einerseits hat er viel Filmmusik komponiert, andererseits war er auch in der Rockmusik tätig, wo er unter anderem Mitglied der Missing Persons war, jener Band von Ex-Zappa Schlagzeuger Terry Bozzio. In Zappa's Band war er zwei Jahre lang Bassist, hat aber davor auch mit Jazz-Grössen wie Charles Lloyd, Joe Henderson, Dexter Gordon, Joe Pass, Woody Shaw, Eddie Henderson und Bobby Hutcherson gespielt.

Einem grösseren Publikum wurde er schliesslich bekannt, als Peter Baumann, der Musiker der Gruppe Tangerine Dream, Patrick O'Hearn für sein eigenes Plattenlabel entdeckte und ihm mit der Group 87 einen grösseren Bekanntheitsgrad bot (das Private Music Label). Das Ergebnis war die Platte "Ancient Dreams" im Jahre 1985. In der Folge produzierte O'Hearn weitere Alben, die immer stärker Bezug zum New Age, zum Jazz der eher experimentellen Art und zum freien und formlosen Spiel nahmen.

Als er nach weiteren Jahren der Filmmusik wieder Soloplatten aufnahm, ermöglichte ihm dies das neu gegründete Label Deep Cave Records, das ihm einen Vertrag für zwei Alben anbot: "Trust" (1995) und "Metaphor" (1996). Für beide Alben griff der Musiker auf seine langjährigen musikalischen Freunde zurück, sodass sowohl auf "Trust", wie auf "Metaphor" unter anderem wieder der Ex-Missing Persons Musiker Warren Cuccurullo mit dabei war. Zusätzlich zum Bass-Spiel von O'Hearn, der hier auf diesem Werk auch sehr viel Perkussion, Keyboards und "Objects" spielt, gesellt sich auch der Gitarrist David Torn, der für die organische Manipulation von elektronischen und akustischen Instrumenten und Spieltechniken, die eine atmosphärische oder strukturelle Qualität und Wirkung erzielen, bekannt ist. Er ist besonders bekannt für seinen Einfluss auf die Entwicklung des sogenannten "Guitar Looping Effect".

Die 9 Stücke auf dem Album klingen oft fragmentarisch, sind der Minimal Music bisweilen recht nahe und haben trotzdem meist eine durchgehende Struktur, sind also bei weitem nicht so frei, wie O'Hearn sonst auf seinen Soloalben unterwegs war/ist. Der Reiz in den Stücken liegt einerseits in der ganz speziellen Atmosphärik, die auf den Zuhörer extrem beruhigend wirkt, andererseits aber auch auf den dezenten perkussiven, meist rhythmisch ausgelegten Untermalungen, die Wohlgefühl suggerieren, welches allerdings nicht irgendeinem eher oberflächlichen New Age Muster folgt, sondern sehr anspruchsvoll zu verwöhnen vermag. Patrick O'Hearn bietet hier im Grunde genau jene Art von Musik für die Sinne, die sich viele andere New Age Musiker auf die Fahne geschrieben haben, die aber letztlich durch eine zum Teil arg oberflächlich wirkende Umsetzung schuldig bleiben. Vergleiche mit Kitaro beispielsweise kann man hier nicht machen, denn O'Hearn bezieht seine musikalischen Muster fast durchgehend aus der Jazzmusik, weshalb sich insbesondere mit Keyboard- oder gar Synthesizermusik überhaupt keine Parallelen ausmachen lassen.

Herausragende Titel gibt es nicht, das Werk muss als Ganzes verstanden und auch so angehört werden. Es ist eine Platte zum Abtauchen vom Alltag, es umschmeichelt einen mit unbekannt und spannend wirkenden Sounds und lässt einen immer wieder spüren, wie schön es sein kann, sich einer Musik hinzugeben, die sämtlicher gängiger und bekannter Muster beraubt worden ist und nur noch sanft auf die Sinne des Zuhörers einwirken soll, ohne ihn in irgendeiner Art und Weise zu fordern oder gar zu stressen. Am ehesten erinnert der Titel "Drive" an die späten Sachen von Talk Talk, dieser Gedanke kommt bisweilen auch bei den anderen Songs auf, was vor allem den verträumt-verspielten Klavierschnipseln geschuldet sein mag. So oder so: das ist Musik zum Gedanken fliegen lassen. Die Ruhe als Kraftquelle für mich.



Ich spreche ein paar Brocken Klartext und fliessend ironisch.

Die wunderbare Zumutung, selbst denken dürfen zu müssen.
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Lavender
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Re: [REVIEW] Patrick O'Hearn • Metaphor (1996)

Beitrag von Lavender »

Beatnik hat geschrieben: Di 29. Apr 2025, 17:39 Bild

In Zeiten sinnloser Hektik, unberührender Oberflächlichkeit und nichtssagendem Kommerz wirken Platten wie Patrick O'Hearn's Werk "Metaphor" wie kleine unberührte Inseln der Glückseligkeit, auf denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint und um die irgendwelche modischen Strömungen einen weiten Bogen machen. "Metaphor" ist eine Platte zum abschalten, zum geniessen, zum sich ausklinken von der Routine des Alltags. "Metaphor" ist ein Kunstwerk, das Zeiten überdauern kann, ohne Schaden zu nehmen. Es ist ein Monument der Beharrlichkeit, wie sie nur aus dem Kopf eines Musikers stammen kann, der Musik als künstlerische Ausdrucksform versteht, und nicht auf billiges Unterhalten aus ist.

Ob Patrick O'Hearn wirklich dem New Age zugehörig ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Eigentlich wirkt seine Musik dafür zu greifbar, zu zwingend. Das hat vielleicht auch mit dem musikalischen Background dieses Musikers aus Los Angeles zu tun: Einerseits hat er viel Filmmusik komponiert, andererseits war er auch in der Rockmusik tätig, wo er unter anderem Mitglied der Missing Persons war, jener Band von Ex-Zappa Schlagzeuger Terry Bozzio. In Zappa's Band war er zwei Jahre lang Bassist, hat aber davor auch mit Jazz-Grössen wie Charles Lloyd, Joe Henderson, Dexter Gordon, Joe Pass, Woody Shaw, Eddie Henderson und Bobby Hutcherson gespielt.

Einem grösseren Publikum wurde er schliesslich bekannt, als Peter Baumann, der Musiker der Gruppe Tangerine Dream, Patrick O'Hearn für sein eigenes Plattenlabel entdeckte und ihm mit der Group 87 einen grösseren Bekanntheitsgrad bot (das Private Music Label). Das Ergebnis war die Platte "Ancient Dreams" im Jahre 1985. In der Folge produzierte O'Hearn weitere Alben, die immer stärker Bezug zum New Age, zum Jazz der eher experimentellen Art und zum freien und formlosen Spiel nahmen.

Als er nach weiteren Jahren der Filmmusik wieder Soloplatten aufnahm, ermöglichte ihm dies das neu gegründete Label Deep Cave Records, das ihm einen Vertrag für zwei Alben anbot: "Trust" (1995) und "Metaphor" (1996). Für beide Alben griff der Musiker auf seine langjährigen musikalischen Freunde zurück, sodass sowohl auf "Trust", wie auf "Metaphor" unter anderem wieder der Ex-Missing Persons Musiker Warren Cuccurullo mit dabei war. Zusätzlich zum Bass-Spiel von O'Hearn, der hier auf diesem Werk auch sehr viel Perkussion, Keyboards und "Objects" spielt, gesellt sich auch der Gitarrist David Torn, der für die organische Manipulation von elektronischen und akustischen Instrumenten und Spieltechniken, die eine atmosphärische oder strukturelle Qualität und Wirkung erzielen, bekannt ist. Er ist besonders bekannt für seinen Einfluss auf die Entwicklung des sogenannten "Guitar Looping Effect".

Die 9 Stücke auf dem Album klingen oft fragmentarisch, sind der Minimal Music bisweilen recht nahe und haben trotzdem meist ine durchgehende Struktur, sind also bei weitem nicht so frei, wie O'Hearn sonst auf seinen Soloalben unterwegs war/ist. Der Reiz in den Stücken liegt einerseits in der ganz speziellen Atmosphärik, die auf den Zuhörer extrem beruhigend wirkt, andererseits aber auch auf die dezenten perkussiven, meist rhythmisch ausgelegten Untermalungen, die Wohlgefühl suggerieren, das allerdings nicht irgendeinem eher oberflächlichen New Age Muster folgt, sondern sehr anspruchsvoll zu verwöhnen vermag. Patrick O'Hearn bietet hier im Grunde genau jene Art von Musik für die Sinne, die sich viele andere New Age Musiker auf die Fahne geschrieben haben, die aber letztlich durch eine zum Teil arg oberflächlich wirkende Umsetzung schuldig bleiben. Vergleiche mit Kitaro beispielsweise kann man hier nicht machen, denn O'Hearn bezieht seine musikalischen Muster fast durchgehend aus der Jazzmusik, weshalb sich insbesondere mit Keyboard- oder gar Synthesizer-Musik überhaupt keine Parallelen ausmachen lassen.

Herausragende Titel gibt es nicht, das Werk muss als Ganzes verstanden und auch so angehört werden. Es ist eine Platte zum Abtauchen vom Alltag, es umschmeichelt einen mit unbekannt und spannend wirkenden Sounds und lässt einen immer wieder spüren, wie schön es sein kann, sich einer Musik hinzugeben, die sämtlicher gängiger und bekannter Muster beraubt worden ist und nur noch sanft auf die Sinne des Zuhörers einwirken soll, ohne ihn in irgendeiner Art und Weise zu fordern oder gar zu stressen. Am ehesten erinnert der Titel "Drive" an die späten Sachen von Talk Talk, dieser Gedanke kommt bisweilen auch bei den anderen Songs auf, was vor allem den verträumt-verspielten Klavierschnipseln geschuldet sein mag. So oder so: das ist Musik zum Gedanken fliegen lassen. Die Ruhe als Kraftquelle für mich.



Zuvor habe ich nichts über diesen Musiker gehört bzw. gelesen. Dieses Loch wurde nun mehr nit Deiner Rezi geschlossen. Das Songbeispiel hat mir auch sehr gut gefallen. Ruhige Klänge tun einfach nur gut.
„Musik ist eine Welt für sich, mit einer Sprache, die wir alle verstehen." Stevie Wonder
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Emma Peel
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Re: [REVIEW] Patrick O'Hearn • Metaphor (1996)

Beitrag von Emma Peel »

Natürlich war deine Rezi auch für mich ein Türöffner in die Welt des Musikers Patrick O'Hearn, den ich natürlich auch zuvor nicht kannte.

Für mich ist es Musik, die einen auf eine wohlige Reise mitnimmt, um abzutauchen und letztlich nur zu relaxen. Fern jeglicher Hektik, sondern man wird von fließenden Musikstücken getragen.

Schöne Rezi ....
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BRAIN
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Re: [REVIEW] Patrick O'Hearn • Metaphor (1996)

Beitrag von BRAIN »

Eine breite Palette an Klängen, die sowohl beruhigend als auch inspirierend wirken können.
Das macht mich neugierig weil es mich an Dead can Dance erinnert.
Starke Rezi.
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